Karliczek: “Das ist erst der Anfang”

Es ist nicht weniger als die Forderung nach einem Kulturwandel in der Wissenschaftskommunikation: Seit dem Start der #FactoryWisskomm haben 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in sechs Arbeitsgruppen Handlungsperspektiven für die Wissenschaftskommunikation in Deutschland erarbeitet. Jetzt hat Bundesforschungsministerin Anja Karlizcek die Ergebnisse der Öffentlichkeit vorgestellt.

Präsentiert wurden die Ergebnisse des monatelangen Strategieprozesses rund um die Wissenschaftskommunikation im Rahmen einer hybriden Abschlussveranstaltung im Museum für Naturkunde in Berlin. © BMBF/ Hans-Joachim Rickel


Covid-19 hat die Wissenschaftskommunikation (WK) aus der Nische ins Rampenlicht gerückt und einen “Clash of Cultures” zwischen WK und Massenmedien provoziert: Wissenschaftler:innen haben gelernt, was es bedeutet massenmedial sichtbar zu sein - Journalist:innen, dass es in der Forschung um Erkenntnisgewinn geht und Ergebnisse vorläufig sind.

Die Empfehlungen der BMBF-Initiative #FactoryWisskomm kommen also zu einem guten Zeitpunkt.

Für die operative WK wurden folgende Perspektiven formuliert:

  • Kulturwandel zu mehr Partizipation und Dialog: Zeitgemäße WK setzt stärker auf interaktive und partizipative Formate anstatt rein informierende und wissensvermittelnde Kommunikationsinstrumente. Neben einem Ausbau von Partizipationsformaten wie Bürgerdialogen, Einbezug von Stakeholdergruppen, Open Science oder Science Centern soll eine weitere Diversifizierung der Bezugsgruppen und Professionalisierung der partizipativen WK, z.B. durch den Ausbau von Transferstellen zu “Zentren partizipativer Kommunikation” angestrebt werden.

  • Kapazitäts- und Kompetenzaufbau: Qualitäts-Wissenschaftskommunikation benötigt neben Wissenschaftskompetenz vor allem Kommunikationskompetenz und die sollte in allen Bildungs- und Karrierestufen ermöglicht und gefördert werden. Maßnahmen für eine höhere Medienkompetenz auf allen Handlungsebenen können Weiterbildungs-, Mentoring- oder Trainings-Programme/Angebote sein, die bereits frühzeitig in Nachwuchsförderprogramme sowie in Onboarding-Prozesse integriert werden.

  • Change zu einer Wissenschaftskommunikations-freundlicheren Kultur innerhalb der Institutionen: Um die Anerkennung und Reputation der WK intern strategisch und systematisch zu steigern, sollen Leitlinien entwickelt und von den Leitungen aktiv vorgelebt werden, so dass WK zu einem integralen und selbstverständlichen Teil wissenschaftlicher Arbeit werden kann.

  • Anreizstrukturen für Qualität in der Wissenschaftskommunikation schaffen: Hier werden u.a. die Verständigung auf gemeinsame Werte und Prinzipien in Leitlinien für gute WK, deren Integration in die Leitlinien für gute wissenschaftliche Praxis und der Schutz von Forschenden durch Etablierung einer konstruktiven Fehlerkultur und einer Defence Unit im Falle von Shitstorms empfohlen.

Das Fazit der Bundesforschungsministerin Anja Karliczek: „Ich finde es wichtig, dass sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in gesellschaftliche Debatten einbringen und Position beziehen. Das bedeutet natürlich nicht, dass jeder, der forscht, immer auch kommunizieren kann oder muss. Doch alle, die das wollen und alle, die das können, sollen bestmögliche Unterstützung und Anerkennung erfahren. Die #FactoryWisskomm liefert für diesen notwendigen Veränderungsprozess zukunftsweisende Impulse.”

Mein Fazit: Es lohnt sich das Papier zu lesen. Es werden sehr konkrete Instrumente empfohlen und die Autoren bleiben sehr nah an der Praxis und den Ziel- und Bezugsgruppen. Die beschriebenen externen Kommunikationsinstrumente und internen Maßnahmen lösen auch in mir Aufbruchstimmung aus - auf geht´s, lasst uns sichtbarer und mutiger werden! :).

Und zwei offene Fragen:

1. Frage: Wie geht gute wissenschaftliche Praxis mit guter Wissenschaftskommunikation in Social Media zusammen? In Zeiten, in denen viel öffentlich über Social Media-Kanäle diskutiert wird - zum Beispiel über Impfungen - können Wissenschaftler:innen in diesen Medien nur mit ihrer Expertise aufklären, wenn es ihnen gelingt, verständlicher zu kommunizieren. Dazu müssten sie die Sorge aufgeben, nicht mehr als Expert:in anerkannt zu sein, sobald sie ihre Inhalte laienverständlich formulieren.

Und die 2. Frage: Wenn Wissenschaftler:innen zukünftig immer stärker auch als “Corporate Influencer” selbstbestimmt kommunizieren und gleichzeitig im Sinne der Gesamtorganisation agieren - wer behält intern den Überblick, sorgt für Transparenz und stellt Standards sicher? Welchen Beitrag kann und muss die interne Kommunikation leisten? Wie kann hier Exzellenz über Leitlinien hinaus etabliert werden?


Infobox

Seit dem Start der Denkfabrik #FactoryWisskomm im September 2020 haben 150 Teilnehmer:innen in sechs Arbeitsgruppen Handlungsempfehlungen für die Wissenschaftskommunikation in Deutschland erarbeitet. Am 24. Juni 2021 wurden die Handlungsempfehlungen zur Wissenschaftskommunikation der Zukunft veröffentlicht. Sechs Arbeitsgruppen haben Impulse für die Themenfelder Anerkennung und Reputation, Kompetenzaufbau, Qualität und Evaluation, Bürger:innenbeteiligung, Wirkungsmessung/Forschung über Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsjournalismus entwickelt. Alles auf Einladung und mit der Moderation des Bundesministeriums für Bildung und Forschung um Ministerin Anja Karliczek. Den Grundstein für die Debatte hatte das Ministerium zuvor bereits mit einem Grundsatzpapier zur Wissenschaftskommunikation selbst gelegt. Die „Handlungsperspektiven“ sind nun das Ergebnis, auf das sich die Teilnehmenden der #FactoryWisskomm geeinigt haben.

Mit ihren Handlungsempfehlungen liefert die #Wisskomm unter anderem Antworten auf folgende Fragen: Wie kann es gelingen, dass kommunikativ engagierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler genug Anerkennung für ihre Arbeit bekommen? Welche Unterstützung brauchen sie? Und wie kann die Zukunft des seriösen Wissenschaftsjournalismus im digitalen Zeitalter und einer schnelllebigen Medienbranche gesichert werden?


Meine Quellen:

Grundsatzpapier zur Wissenschaftskommunikation - (BMBF)

Factory_Wisskomm_Publikation.pdf (bmbf.de)

Karliczek: „Das ist erst der Anfang“ - BMBF


Interessante Links:

Allianz_10-Punkte-Plan.pdf (wissenschaftsrat.de) - Ein Beispiel für Wissenschaftskommunikations-Leitlinien der Allianz der Wissenschaftsorganisationen (2020)

Welcher #Wisskomm-Typ sind Sie? – Wissenschaftskommunikation.de

https://www.nawik.de/blog/wissenschaftskommunikation-in-deutschland-ergebnisse-einer-befragung-unter-wissenschaftlerinnen/ - Befragung von Wissenschaftler:innen zur Wahrnehmung der Wissenschaftskommunikation




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